Kim Possible - Black Phönix - Kapitel 2

Kapitel 2 - ... and foes

Normalerweise würde sie um diese Zeit im Bett liegen, Shego konnte aber nicht schlafen und brauchte ein wenig frische Luft und etwas Zeit zum Nachdenken. Sie schlenderte gedankenverloren unweit von Drakkens neustem Versteck durch eine enge, dunkle Gasse.
Es war eiskalt. Der stockdicke Nebel hatte irgendetwas Beunruhigendes, beinahe Brutales. Ihr schien es, als ob er nach ihr greifen wollte, weshalb sie häufig stehen blieb, sich umsah und in die Nacht heraushörte. Sie vergrub ihren Kopf tief in ihren dunkelgrünen Mantel, steckte ihre Hände in die Manteltaschen und ging weiter.
Plötzlich blies ihr ein eiskalter Windstoss ins Gesicht, der von einem lauten, unheimlich zischenden Hauchen begleitet war, als ob der Teufel persönlich auf die Erde gekommen war, um sie zu besuchen. Dieses Geräusch jagte Shego kalte Schauer über den Rücken, ihre Nackenhaare sträubten sich und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie war von ihrer eigenen, heftigen Reaktion überrascht. Üblicherweise jagten ihr solche Dinge keine Angst ein, aber in dieser Nacht war etwas anders. Zum ersten Mal in ihrem Leben bekam die Schwarzhaarige richtige Todesangst, geriet beinahe in Panik, drehte sich um und beschleunigte ihre Schritte.
Mit jedem Schritt, den sie ging, wurde sie unruhiger, es kam ihr vor, als ob sich die Wände auf sie zu bewegen würden. Sie wollte so schnell wie möglich in ihr warmes Bett zurück. In Gedanken versuchte sie sich selber zu beruhigen, bevor sie hier draussen noch ausflippte, aber sie kam nur bis zur nächsten Häuserecke.
Es knallte laut, worauf Shego unter Schmerzen zu Boden gerissen wurde. Sie fasste sich an ihre linke Wange, wo sie durch Steinsplitter getroffen wurde. Jemand hatte mit Schrot auf sie geschossen, sie aber knapp verfehlt, stattdessen nur die Häuserecke erwischt. Es dauerte einige Sekunden, bis sie sich von diesem Schrecken erholte, stand auf, verzog eine Miene und liess stinksauer ihre rechte Hand aufglühen, während sie sich mit der Linken immer noch ihre schmerzende Wange rieb.
„Wer ...“, schrie die Schwarzhaarige in die Nacht heraus, wurde aber wieder durch einen lauten Windhauch unterbrochen, der dieses Mal ein dumpfes, sehr tiefes Lachen nach sich zog, das an den Wänden wiederhallte. Shego schien langsam zu begreifen, wer eben auf sie geschossen hatte, denn sie schaute mit grossen, ungläubigen Augen in den Nebel und ging so lange rückwärts, bis sie mit dem Rücken die Häuserwand berührte.
„Nein, du bist tot.“, flüsterte sie zittrig. Sie konnte ein schnelles, mechanisch tönendes Geräusch wahrnehmen, welches beim Laden einer Pumpgun entsteht, dann schlug es unter einem ohrenbetäubenden Knall ein weiteres Mal knapp neben Shegos rechtem Arm in die Häuserwand ein. Die Schwarzhaarige konnte darauf ruhige Schritte hören, die langsam auf sie zukamen, und dazwischen wieder dieses Ladungsgeräusch.
Geschockt und völlig perplex wirkend schrie Shego: „Ich wollte das nicht!“ Die Schritte verstummten augenblicklich, danach war es still, ihr kam es vor, als ob sich jeder Augenblick in eine Ewigkeit ziehen würde.
„Du willst eine zweite Chance?“, antwortete endlich eine dumpfe, aber eindeutig männliche Stimme unter einem hässlichen Lachen, „Dann lauf!“
Danach setzte sich die Person wieder in Bewegung. Shego konnte ihren Angreifer aufgrund der hallenden Wirkung dieser verdammten Gasse nicht genau lokalisieren und entschied sich schliesslich gezwungenermassen den eben erteilten Rat zu befolgen. Vollkommen verängstigt rannte sie durch die dunklen Gassen. Sie kam sich dabei vollkommen lächerlich vor, dieser Typ spielte Katz und Maus mit ihr, er schien überall zu sein, schien ihre Schritte vorauszusehen, denn an jeder Hausecke wartete er bereits auf sie und verfehlte sie mit seinen Salven immer wieder, wahrscheinlich sogar absichtlich, nur knapp.
Nach unzähligen Wiederholungen holte er Shego schliesslich an einer Gassenkreuzung mit einem heftigen Check von den Beinen. Diese konnte ihren Fall gekonnt mit einer seitlichen Rolle abbremsen, liess ihre Hände aufglühen, ging zum Gegenangriff über und schlug wild um sich. Sie konnte ihren Gegner aber sehr zu ihrer steigenden Enttäuschung nicht erwischen. Immer wenn die Schwarzhaarige kurz davor stand einen Treffer zu landen, schien sich ihr Gegner in Luft aufzulösen, als ob dieser mit dem Nebel verschmelzen könnte.
Unter Tränen schlug sie weiter ins Leere, ehe sie durch einem plötzlichen und gezielten Schlag auf den Solarplexus von ihrem Angreifer weggeschleudert wurde und, unter einem lauten Stöhnen, mit dem Rücken auf einen hohen Holzzaun aufschlug. Sie musste tief Luft holen, der Schlag war sehr präzise angesetzt worden und machte ihr schwer zu schaffen.
Verschwommen konnte sie wenige Meter vor sich einen Schatten mit menschlichen Umrissen ausma-chen und einen leisen metallischen Klang wahrnehmen, offensichtlich zog ihr Gegenüber gerade ein Schwert, danach ging alles sehr schnell. Innerhalb eines Augenblickes stand eine männliche Person direkt vor der Schwarzhaarigen. Ihre schlimmsten Albträume schienen wahr zu werden, wie sie vermutet hatte, wurde sie in diesem Moment von ihrer Vergangenheit eingeholt. Auf der linken Wange hatte ihr Angreifer vier längliche Narben, welche sie nie vergessen hatte.
Sie brachte keinen Ton heraus, war starr vor Schreck. Der Narbenträger grinste breit, während er Shego siegesgewiss mit der linken Hand bei der Schulter griff und ihr sein eben gezogenes Schwert unterhalb des Brustbeins bis zum Anschlag in den Körper rammte. Shego rang röchelnd nach Luft, und schrie lauthals, als eine Welle des Schmerzes durch ihren Körper fuhr, bis ihr schliesslich schwarz vor Augen und sie bewusstlos wurde.
Ihr Gegner ohrfeigte sie sofort unbarmherzig. Die Schwarzhaarige sollte wach bleiben, denn er wollte unbedingt in ihren Augen sehen, wie sie den letzten Lebenshauch ausstiess, darauf flüsterte er Shego lächelnd ins Ohr: „Schlampen … kriegen keine zweite Chance.“
Unter diesen Worten ging er zwei Schritte zurück, zog sein Schwert wieder aus seinem Opfer heraus und stiess die Schwarzhaarige an den Holzzaun zurück. Sie spuckte augenblicklich Blut und hielt sich mit beiden Händen ihre stark blutende Wunde, bevor sie mit schmerzverzerrtem Gesicht langsam an der Wand schleifend in die Hocke ging. Mit grossen Augen blickte sie ihrem Angreifer ungläubig ins Gesicht. Dieser brach schliesslich in schallendes Gelächter aus, als ihm Shegos Augen nur noch starr entgegen-schauten.

Nächster Tag; Drakkens Versteck, Rocky Mountains, frühmorgens
Shego schreckte aus ihrem Schlaf auf, schnappte nach Luft und richtete sich dabei schnell auf. Ihr Herz raste und sie war vollkommen verschwitzt. Sofort schaltete sie das Licht ein, öffnete ihr Nachthemd und tastete ihren Bauch ab, um ganz sicher zu gehen, dass sie eben wirklich nur geträumt hatte. Darauf blickte sie einige Male verwirrt umher, bis sie feststellte, dass sie tatsächlich noch in ihrem Zimmer in Drak-kens Versteck und nicht im Himmel oder wo auch immer angekommen war.
Erschöpft, doch erleichtert liess sie sich schliesslich wieder in ihr Kopfkissen fallen, löschte das Licht wieder und blickte an die schwarze Decke, während sie sich langsam beruhigte. Shego wusste nicht, was mit ihr los war. Seit ihrer letzten Niederlage gegen Kim Possible kamen diese Träume immer häufiger, waren es am Anfang noch simple Gespräche mit Scarface, wie sie ihn nannte, so steigerten sie sich doch mit jedem Mal an Brutalität, ihren eigenen Tod hatte sie jedoch noch nie geträumt.
Shego lächelte, welch Ironie, nicht etwa die vielen Niederlagen der letzten Jahre, sondern nur sie selbst hatte sich in die Knie gezwungen. Die ehemals starke Frau wurde nun durch eines ihrer begangenen Verbrechen langsam zermürbt und würde, wenn es so weiter ginge, an ihrem eigenen unbewussten Psychoterror zerbrechen.
Immer öfter dachte sie seither über einen Lebenswechsel nach, sich mit der Welt zu versöhnen und nach Go City zurückzukehren, aber sie wusste, dass auch dies nur einer weiteren Flucht entsprechen würde. Die Vergangenheit holt jeden irgendwann wieder ein.
Schliesslich wurde sie durch lautes unerträgliches Gelächter von Drakken aus ihren Gedanken gerissen. Nicht einmal frühmorgens hätte man seine wohlverdiente Ruhe, dachte sie böse für sich. Genervt stand Shego auf und ging unter die Dusche.

„Maann, das Sseug haut rein, e ... echt jetzt!“, schrie Motor Ed lallend und deutete dabei auf die fast leere, unbedruckte Flasche in seiner rechten Hand, während sich Drakken über Eds Zustand halb tot lachte. Der Blonde hing quer über die Lehne eines alten, braun-roten Sessel gegenüber einer zerknautschen Couch, auf der sich Drakken gerade kringelte vor Lachen und sich mehrere Male auf die Oberschenkel klopfte.
Drakkens neustes Versteck war deutlich kleiner als alle seine vorherigen und erinnerte eher an ein Dreckloch, als an ein Schurkenversteck, denn überall lag Staub und Überreste von irgendwelchen Insekten herum. Auf den ersten Blick sah es wie eine umfunktionierte Höhle aus: Es verfügte über eine kleine Küche, mit Zugang zu den Schlafzimmern, hatte aber abgesehen von ein paar Kisten, einem kleinen Fernseher, besagtem Sessel und der Couch kein Mobiliar, wurde aber von leistungsstarken Radiatoren beheizt und von Halogenscheinwerfern beleuchtet. Einzig die stabile Metalleingangstüre mit voll automatischer Alarmanlage erinnerte an alte, glorreichere Zeiten.
Die Beiden führten sich weiter unbeirrt ihr farbloses Getränk zu Gemüte, als Shego, nur mit Badetuch bekleidet, die Küche betrat, um ein bisschen Wasser zu trinken. Da die Couch mit der Rückseite zur Küche stand, hatte Drakken sie nicht bemerkt, wohl aber Motor Ed, der trotz seinem Promillegehalt im Blut offensichtlich immer noch geradeaus schauen konnte. Er strich sich durch seine blonde Mähne und pfiff einige Male durch die Zähne, bevor er sich aufrecht in den Sessel setzte und losschrie: „Na Perle, wie wärs mit uns beiden?“
Als Drakken endlich begriff, dass Ed nicht ihn gemeint hatte, drehte er den Kopf zu Shego, welche die Küche gerade wieder verlassen wollte, biss sich auf die Lippe, schaute sofort Ed mit mitleidendem Blick an und fasste sich an den Kopf, weil er ganz genau wusste, was gleich passieren würde.
Zuerst war Shego etwas überrascht Motor Ed hier anzutreffen, sie hatte nicht gewusst, dass Drakken Besuch hatte. Kurz vor der Türe, die zu den Schlafzimmern führte, blieb sie stehen, drehte sich um, kam langsam auf die Beiden zu und legte ihr falschestes Lächeln auf. Hinter ihrem Arbeitgeber angekommen wechselte sie schlagartig ihren Gesichtsausdruck, sprang erst über die Couch, dann mit einem Salto hinter Motor Eds Sessel, streckte ihre Arme aus, liess beide Hände aufglühen und rammte sie in die Kopfstütze, worauf sie den Sessel mitsamt Motor Ed quer durch Drakkens Versteck schleuderte.
Dieser schlug hart auf der Rückseite auf und schleifte noch einige Meter weiter, bevor er links von der Metalltüre zum Stillstand kam. Motor Ed wurde dabei kräftig ins Leder gedrückt. Vor lauter Angst, hatte er seine Hände krampfhaft in die Armlehnen vergraben, wurde kreidebleich, seinem Magen hatte diese Achterbahnfahrt wohl nicht gefallen, und schaute sprachlos, vollkommen erstaunt, mit offenem Mund Shego an, welche ihm nun gelassen entgegenkam.
Wenige Schritte von Eds Kopf entfernt blieb sie stehen, stemmte ihre linke Hand in die Hüfte, liess den rechten Zeigefinger aufglühen, während sie sich leicht vornüber beugte, und zischte ihn an: „Nenn mich nie wieder Perle!“

Motor Ed hielt sich danach mit der rechten Hand den Mund zu, drehte sich so gut wie möglich nach links und übergab sich, wobei im nicht ganz klar war, ob nun der viele Alkohol oder Shego Schuld daran haben sollten.
Angewidert drehte sich Shego um, normalerweise hätte sie der Anblick einer leidenden Seele erfreut, aber aufgrund ihrer derzeitigen Lage, war sie alles andere als angetan und wollte eigentlich nur noch ins Bett zurück. Sie konnte sich aber einen schnippischen Kommentar Drakken gegenüber nicht verkneifen. „Sie werden diese Schweinerei wegmachen.“, meinte sie im Vorübergehen.
„Wo willst du hin?“, fragte Drakken mit heiserer Stimme, während er ihr nachsah, und fuhr fort, „Ich möchte mich gerne mit dir unterhalten.“
Shego ging ohne sich umzusehen weiter und erwiderte nur genervt: „Kann das nicht bis morgen warten, ich bin müde.“
Drakken war es in gewisser Weise nicht besser ergangen als seiner Assistentin. Die letzte Niederlage gegen Miss Perfect hatte er, wenn überhaupt, nur sehr schwer verwunden. Das Traurigste an der ganzen Sache war allerdings, dass sein letzter Plan lächerlich viel Geld verschlungen hatte und Drakken praktisch gesehen pleite war. Damit nicht genug, seine Mama wollte ihm auch kein Geld mehr leihen, als sie herausfand, dass ihr Lieblingssohn sie all die Jahre angelogen hatte. Man hätte also sagen können, dass Kim Possible endlich gewonnen hatte, dabei hätte Drakken sie beinahe gehabt, beinahe gesiegt und trotzdem hatte sie das Ruder noch in letzter Sekunde herumgerissen. Zwar konnten er und Shego kurze Zeit später wieder aus dem Gefängnis ausbrechen, aber was nützte ihnen das, so abgebrannt wie sie waren. Könnte Drakken besser mit Geld umgehen, hätte er sich für eine solche Notlage eine grössere Reserve angelegt, nur für den Fall der Fälle, aber stattdessen musste sich Shego nun mit dieser widerlichen Absteige zufrieden geben, dabei hatte sie es so satt. Genauso, wie sie Drakkens Selbstmitleid und ihr Schurkenleben satt hatte.
„Aber ich bin deprimiert.“, schrie er ihr verzweifelt klingend, mit weinerlicher Stimme hinterher. Zu Drakkens Erstaunen blieb sie tatsächlich stehen, drehte ihren Kopf und antwortete mit einem breiten, halb aufgelegten Grinsen: „Dass sie blau sind sehe ich auch.“
Mürrisch verschränkte Drakken seine Arme und drehte sich von Shego weg. Schliesslich gab er enttäuscht zurück: „Du veräppelst mich schon wieder, dabei bin ich so bedürftig.“
„Nein, sie sind einfach nur betrunken.“, antwortete Shego kopfschüttelnd, aber ruhig, als sie sich, offenbar gerührt oder, was wahrscheinlicher war, wohl einfach nur aus Schadenfreude, neben ihn setzte. Sie entriss Drakken seine Flasche, welcher darauf noch nicht einmal reagierte, nahm einen Schluck, kniff die Augen zusammen, verzog eine Miene und spuckte das offensichtlich hässlich schmeckende Gesöff sofort wieder aus.
„Igitt, was ist denn das für ein Zeug?“, fragte sie mit geschlossenen Augen und musste sich ein Husten verkneifen.
Der blaue Schurke deutete grinsend auf die Kartonschachteln hinter sich und antwortete stolz: „Drakkens Eigenbrand, drei Monate in einem Metallfass gereift, das ist alles, was ich vor der letzten Razzia noch retten konnte.“
Shego wurde schlecht, nicht wegen des Alkohols, sondern wegen Drakken selbst. Sie schaute ihn nur mit grossen, fragenden Augen an, während dieser seine noch halb volle Flasche wieder an sich nahm und zu einem Schluck ansetzte.
Gerade als die junge Frau angeekelt aufstand, explodierte die Eingangstüre unter einem gewaltigen Knall. Durch die Druckwelle wurde Shego brutal nach hinten, in Richtung Küche geschleudert, während Drakken schlagartig in die Couch gedrückt wurde und dabei reflexartig die Arme hob, um sein Gesicht zu schützen. Die Explosion wirbelte jede Menge Staub auf und verursachte viel Rauch. Das Licht flackerte stark, fiel aber nicht gänzlich aus und stabilisierte sich schliesslich. Shego rieb sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf, konnte sich aber, scheinbar unverletzt geblieben, wieder aufrichten.
Nachdem sich der Rauch und Staub ein wenig gelegt hatten, erschien Ron in der Eingangstüre, wobei er sich mit zugekniffenen Augen vorantastete, mit seinen Armen wedelte, als ob er den Rauch so effektiver vertreiben könnte, und lauthals hustete. Schliesslich bemerkte der blonde Teenager überrascht rechts von sich Motor Ed, der trotz dem Krach seelenruhig vor sich hin schnarchte, und hob fragend eine Augenbraue. Dann erst entdeckte er Drakken und Shego, wobei er, offensichtlich angetan von dem Bild, das sich ihm bot, abwechselnd zu Drakken, dann zu Shego und wieder zu Drakken schaute.
Mittlerweile war auch Kim neben Ron aufgetaucht und musste sich wie ihr Freund ein Lachen verkneifen, als sie ihre beiden Erzfeinde sah. Shego, nur mit Handtuch bekleidet, und Drakken, der es sich breitbeinig auf einem Sofa bequem gemacht hatte, ergaben in dem Moment wirklich eine höchst zweideutige Situation.
Kim sagte amüsiert, mit einem zynischen Unterton: „Klopf, klopf! Wir kommen doch hoffentlich nicht ungelegen?“
Total überrascht wirkend fiel Drakken die Kinnlade nach unten. Er liess geschockt die Flasche fallen und brachte nur ein „Kim Possible?“ über seine Lippen, offenbar hatte er sie nicht erwartet.
Wie auf Befehl stürmten nun ein gutes Dutzend Agenten des NGG Drakkens Versteck und stellten sich in Kim und Rons Rücken auf. Danach ging der Rotschopf langsam auf Drakken zu, der wie sein Helferlein begriffen hatte, dass ein Kampf wohl sinnlos war, und warf ihm schliesslich grinsend diverse Schurkenmagazine und Prospekte vor die Füsse.
„Sie sollten sich ihre Post nicht immer wieder nachsenden lassen.“, meinte Kim herablassend, verschränkte die Arme vor ihrer Brust und schrie, ohne Drakken aus den Augen zu lassen, ihrer Erzfeindin nach, welche vorsichtig einen Schritt nach dem anderen rückwärts ging, „Wo bitteschön wollen wir den hin, Shego?“
„Entschuldige bitte, Kimmie, aber ich hab keine Zeit für alberne Spielchen.“, gab Shego sofort lauthals und grinsend zurück, während sie blitzschnell ihre Chance zur Flucht nutzte, sich umdrehte und durch den Eingang zum Schlafzimmer verschwand.
Kim sprang ihr sofort nach, aber ihre die Schwarzhaarige schloss mit einem Knopfdruck die schwere metallische Zugangstüre, bevor die Teenieheldin sie erreichen konnte, und zerstörte daraufhin das Steuerrelais, damit man die Türe nur noch mit dem Schweissbrenner aufbringen würde. Shego würde Dr. Drakken bei Zeiten befreien, aber im Moment war er so was von bedeutungslos. Das Wichtigste war, dieses sogenannte ’Versteck’ so schnell wie möglich als freier Mensch zu verlassen. Sie zog sich an, packte in der Eile nur die nötigsten Sachen zusammen und verliess ihr Zimmer durch einen geheimen Zugang neben ihrem Bett, der zu einem grossen Hangar führte. Wenigstens ihren Jet hatte Drakken noch nicht verkaufen müssen, dachte Shego, damit würde sie hoffentlich weit genug kommen.
„Verdammt!“, schrie Kim, während sie mehrmals auf die Türe einschlug. Stinksauer griff sie nach dem Kimmunicator, kontaktierte sofort Wade genervt: „Wade, kannst du Shego orten? Sie ist mir gerade entkommen.“
Dieser schloss die Augen, kreuzte seine Hände und schüttelte den Kopf, ehe er kleinlaut antwortete: „Tut mir leid, ich hab sie gerade verloren, offenbar hat sie eine Art Tarnkappenbomber. Ich habe zwar den Satelliten auf Wärmebildaufnahme umgestellt, aber bis ich die jeweiligen Bilder empfange, ist sie längst aus dem momentanen Raster verschwunden.“
Kim hätte am Liebsten den Kimmunicator an die nächste Wand geworfen, Shego hatte für einmal das bessere Ende erwischt.
„Jetzt muss ich noch nicht einmal etwas verbrechen, um schon von dir verfolgt zu werden? Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?“, jammerte Drakken, als er gerade in Handschellen abgeführt wurde.
Kim hob erstaunt eine Augenbraue und fuhr Drakken schreiend an: „Vor nicht einmal 24 Stunden hätte eine ihrer Drohnen beinahe Monique und mich getötet und sie wollen sich nicht daran erinnern?“ Drakken beteuerte aufs Neue: „Ich habe keine Ahnung wovon du sprichst.“
Stur und unnachgiebig ignorierte sie ihn und winkte den NGG-Agenten, worauf diese Drakken wortlos abführten. Die rothaarige Teenagerin folgte ihnen auf dem Fusse, nur Ron schien der Einzigste zu sein, welcher sich Drakkens Gejammer zu Herzen nahm und die ganze Situation kritisch betrachtete. Nie und nimmer würde sich Kims Erzfeind in eine solch schäbige Unterkunft verkriechen, wenn er eine Wahl hätte, von ihm war man sich eindeutig anderes gewohnt. Die logische Folgerung daraus musste also zwangsläufig sein, dass man Drakken, Shego und auch sie beide reingelegt hatte. Leider war Kim in diesem Moment viel zu impulsiv und launisch, um die Wahrheit zu erfassen, der blonde Teenager biss bei ihr zurzeit auf Granit. Zum ersten Mal seit Eric hatte er das Gefühl, Kim zu verlieren. Er schüttelte den Kopf und verwarf diese Gedanken sofort wieder, dann sammelte er Rufus ein, der sich ein wenig umgeschaut hatte und verliess schliesslich schweigend Drakkens ehemaliges neustes Versteck.

Haus der Possibles, abends
Es war ein anstrengender Tag, zuerst Drakkens Verhaftung und seine anschliessende Überbringung in ein Hochsicherheitsgefängnis, bei der Kim unbedingt dabei sein wollte, dann Shegos Flucht, die zwei Teenager waren geschafft und wollten wohl nur noch schlafen gehen. Beide gingen Hand in Hand die Treppe hinauf, als sie von Mrs. Dr. Possible gestoppt wurden, die gerade aus der Küche erschien.
„Schatz, ist alles in Ordnung?“, fragte sie sanft, doch leicht besorgt, da ihre Tochter doch recht spät nach Hause kam.
Ron, der sich nicht angesprochen fühlte, klopfte Kim sanft auf die Schulter und deutete an, dass er sich schon mal in Kims Zimmer begeben würde. Diese lächelte ihm nach, ehe sie zu ihrer Mutter runterging, um diese auf den neusten Stand zu bringen.
Ron betrat inzwischen das Zimmer seiner Freundin, streckte sich und gähnte laut, als er das offene Fenster bemerkte. Die weissen Vorhänge bewegten sich durch einen sanften Windstoss hin und her und leuchteten durch das Mondlicht. Ohne das Licht anzuschalten ging er langsam zum Fenster, wurde aber bereits nach wenigen Schritten hinterrücks an die Wand, rechts neben dem Fenster, gestossen. Total überrumpelt konnte Ron nur mit Mühe verhindern, dass er sich die Nase stiess, drehte sich, um sich zu verteidigen, aber sein Angreifer stand bereits vor ihm, hielt ihm mit der einen Hand den Mund zu und griff ihm mit der anderen fest an den Hals. Wie Ron trotz des spärlichen Mondscheins erkennen konnte, schaute er in ein, ihm sehr bekanntes Paar Augen.

Wenige Minuten danach betrat auch Kim ihr Zimmer, schloss die Türe hinter sich und erschrak, als sie von einer weiblichen Stimme angesprochen wurde. „Ihr habt euch ja ganz schön Zeit gelassen.“, meinte diese zynisch.
Sofort schaltete die rothaarige Teenagerin das Licht an und liess vor Schreck ihren Rucksack fallen. Shego hatte sich in ihr Zimmer geschlichen und Ron in ihre Gewalt gebracht. Sie stand hinter Kims Freund und hatte ihren linken Arm unter Rons durchgeführt und ihre linke Hand auf dessen Nacken gelegt. Der blonde Teenager hatte keine Chance sich dagegen zu wehren oder sich zu befreien und dabei unverletzt zu bleiben. Eine falsche Bewegung und Shego würde ihm ganz sicher ärgste Schmerzen zufügen, wenn nicht schlimmer.
Dennoch wollte Kim wider jede Vernunft sofort angreifen, was Shego dazu veranlasste augenblicklich ihre freie Hand aufglühen zu lassen und diese kurz vor Rons Gesicht zu stoppen, worauf die Teenagerin ihren kläglichen Angriffsversuch sofort abbrach. Die Klauen waren ihr sehr schmerzhaft in Erinnerung geblieben, sie wusste, was ihre Erzfeindin damit anrichten konnte.
Ruhig und ernst sagte die Schwarzhaarige dann: „Du bleibst schön, wo du bist und machst keinen Mucks.“, darauf wandte sie sich an Ron und fuhr fort, „Wirf ihr deine nackte Ratte zu, bevor sie noch aufwacht und auf dumme Gedanken kommt. Du willst sicher nicht aus Versehen getötet werden, nur weil sie mich gebissen hat.“
Unbeeindruckt gab Ron sauer zurück: „Erstens ist es ein Nacktmull und zweitens, sein Name ist Rufus.“
Shego sagte nichts darauf, verzog nicht einmal eine Miene, sondern erhöhte einfach nur den Druck auf Rons Genick, worauf dieser vor Schmerzen die Augen schliessen musste und stöhnte.
„Ron!“, schrie Kim den Tränen nah, mit brechender Stimme, während sie mit leicht ausgestreckter Hand einen kleinen Schritt nach vorne machte.
Shego wusste augenblicklich Bescheid, die Reaktion ihrer Erzfeindin war eindeutig, so würde nur jemand reagieren, der verliebt ist. Bis zu dem Zeitpunkt hatte die Schwarzhaarige keine Ahnung von der Beziehung der beiden Teenager. Nun fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Das war also damals in dieser Nacht passiert und hatte zu Drakkens erneuter Niederlage geführt. Sie erinnerte sich an das kleine, einseitige Gespräch, welches sie und Kim geführt hatten, nachdem sie die Teenagerin an diesen riesigen Holzkaktus gefesselt hatte.

„Ah, Kimmie ist schon wieder aufgewacht.“, hatte Shego mit gespielter Freude gesagt. Kim hatte einige Male verwirrt geblinzelt, als ob die Scheinwerfer sie geblendet hätten, während Drakkens Helferlein schadenfreudig Kims Rucksack durchsucht, aber für sie nichts Interessantes gefunden und diesen schliesslich fallen gelassen hatte. Die rothaarige Teenagerin hatte sich verwirrt umgeschaut, bis sie links von sich Ron entdeckt hatte, der, immer noch bewusstlos, ebenfalls an eine dieser Holzfiguren gefesselt worden war, ihr die ganze Situation schlagartig wieder eingefallen war und ihr beinahe das Herz zerrissen hatte. Mit einem siegesgewissen Grinsen und geschlossenen Augen hatte Shego diesen so lang ersehn-ten Moment in vollen Zügen genossen.
„Deine grenzenlose Gutgläubigkeit ist deine grösste Schwäche, Kimmie, ein gutaussehender, junger Mann, der dir scheinbar schöne Augen macht und weg bist du.“, hatte Shego gesagt.
Diese Worte hatten sich tief in Kims Herz gebohrt, denn sie waren leider die reine Wahrheit, in dem Moment hatte sich die Teenieheldin ihre Niederlage eingestanden. Darauf hatte sie zu Ron gesehen und sich leise entschuldigt.
„Ach Ron, was hab ich nur getan?“, hatte sie festgestellt und schliesslich den Kopf hängen gelassen, worauf Shego nachgedoppelt hatte: „Ich verrate dir was, Prinzessin, niemals wird es da draussen einen Jungen für dich geben, hörst du? Niemals.“
Kim war innerlich zusammengezuckt. Unter einem grausamen Lachen hatte Shego den Rotschopf dann verlassen, Kims Kampfgeist war gebrochen, sie war gebrochen, Drakken hatte gewonnen.

Shego hatte es bis zum heutigen Tag, bis zu diesem Moment nie begriffen, warum es damals anders gekommen war. Sie lächelte, ehe sie amüsiert, wie ein kleines Kind an Weihnachten, sagte: „Ah, du liebst ihn.“
Die Schwarzhaarige legte ihren Kopf auf Rons linke Schulter, während sie mit ihrer rechten Hand durch Rons Haar strich, was Kim natürlich überhaupt nicht gefiel.
„Da hast du dir nen dicken Brocken an Land gezogen, Stoppable.“, meinte sie beinahe fürsorglich, als ob sie sich für diesen kurzen Moment tatsächlich für Kims und Rons Beziehung interessiert hätte, bevor ihre Stimme wieder einen ernsten Ton annahm und fortfuhr, „Jetzt gib ihr das Vieh schon endlich!“
Ron tat wie ihm befohlen, langsam griff er mit seiner freien Hand in Rufus’ Hosentasche, zog den kleinen vorsichtig heraus, wobei er aufwachte und warf ihn Kim zu, noch ehe Rufus begreifen konnte, was los war. Er schrie wie am Spiess, als Kim den vollkommen überraschten Nacktmull auffing, bis dieser die Situation endlich verstand, worauf er plötzlich ganz still wurde und besorgt in Rons Richtung blickte, wäh-rend Kim ihn sanft auf ihr Bett legte.
Die Teenieheldin verschränkte ihre Arme und hob fragend eine Augenbraue, sie wollte jetzt endlich ein paar Antworten. Als ob Shego Kims Gedanken lesen könnte sagte sie mit sarkastischem Unterton: „Kimmie will eine Erklärung.“
Sie machte eine kleine Pause, wohl um ihre Gedanken zu sammeln, irgendwie wirkte sie auf Kim auch etwas nervös, bevor die Schwarzhaarige schliesslich erklärte: „Eigentlich wollte ich nur vernünftig mit dir reden, was aber offensichtlich nur funktioniert, indem ich deinen ... Freund bedrohe. Wie Drakken heute sicher einige Male beteuert hat, seit unserem Ausbruch vor vier Wochen, hat er nicht einmal ansatzweise versucht die Weltherrschaft an sich zu reissen.“
„Sagt die Frau, die meinen Freund als Druckmittel missbraucht, warum um alles in der Welt glaub ich dir bloss kein Wort?“, stellte Kim genervt fest.
Nun meldete sich Ron mit heiserer Stimme zu Wort: „Ich glaube Drakken hat die Wahrheit gesagt ...“ – „Du stellst dich auf ihre Seite?“, schrie Kim nun fast hysterisch, sie verstand die Welt nicht mehr.
Ron versuchte sich zu rechtfertigen: „Ich stelle mich auf keine Seite, ich zähle nur eins und eins zusammen und ich bin überrascht, dass es dir nicht aufgefallen ist. Dieses sogenannte Versteck hatte kein Abwehrsystem, keine Drohnen, keine Todeslaser, geschweige denn einen Computer. Da ist doch was oberfaul.“
Shego war sichtlich beeindruckt und doppelte lächelnd nach: „Hey, der Kleine ist schlauer als ich dachte.“
„Warst es nicht du, der einst gesagt hat, Schurken und Lügen gehören zusammen, wie Pech und Schwefel?“, fragte Kim ihn und versuchte Shego möglichst zu ignorieren.
Noch ehe Ron irgendetwas darauf antwortete, meldete sich Shego wieder ungefragt zu Wort: „Nicht Dr. D, er ist zwar ein Superschurke, aber kein Superbetrüger.“
Man konnte die herrschende Spannung, die mit jeder Minute zunahm, beinahe spüren. Sowohl Kim, wie auch Shego waren bis unter die Fingernägel angespannt, wobei vor allem die Teenagerin nahe daran war, ihre Beherrschung zu verlieren. Einzig Ron schien relativ entspannt, aber dieser konnte ja auch nicht anders, Shego würde sofort bemerken, wenn er sich sträuben würde, und ihm wieder wehtun. Er erschrak aber gleichermassen wie die beiden Erzfeindinnen, als plötzlich der Kimmunicator lospiepte.
„Worauf wartest du, nun geh schon ran!“, befahl Shego schliesslich ungeduldig. Langsam zog Kim das Gerät aus ihrer Tasche, drückte den Empfangsknopf und sagte: „Was steht an Wade?“ Sie liess ihr Gegenüber dabei aber keine Sekunde aus den Augen.
„Aufgepasst Kim, ich habe Shegos Jet aufspüren können, sie ist in ...“ – „ ... in Middleton.“, unterbrach ihn Kim mit einem Seufzen, worauf Wade überrascht fragte: „Woher weisst du das?“
Wortlos drehte Kim den Kimmunicator mit dem Display zu Ron und Shego. Wade war zuerst sprach- und regungslos, aber als er begriff, was geschehen war, wollte er umgehend den Notruf aktivieren, was Shego mit einem schlagkräftigen Argument augenblicklich zu unterbinden wusste.
„Denk nicht einmal dran, sonst tu ich Stoppable hier weh.“, zischte sie sehr ernst klingend durch die Zähne, worauf Wade vorsichtig seine Arme hob und hinter seinem Kopf verschränkte.
Kim warf den Kimmunicator folgsam auf ihr Bett, nachdem ihr Shego dies mit einem Kopfnicken ange-deutet hatte, ging einige Schritte zurück und lehnte sich, mit verschränkten Armen an die Türe, bevor sie zu Wade meinte: „Sie sagt Drakken wäre für einmal unschuldig.“
„Nun, es überrascht mich genauso wie dich, aber da hat sie höchstwahrscheinlich sogar Recht.“, bestätigte Wade und erklärte weiter, „Es liegen erste Ergebnisse bezüglich der synthetischen Biomasse vor. Leider nicht vollständig, denn das Gemisch ist extrem instabil und zerfällt sehr schnell, aber was das NGG, oder besser gesagt das ehemalige Team Impossible soweit herausgefunden haben: Die Biomasse besteht zu 80 Prozent aus speziell modifizierten Aminosäuren. Ich hab so was noch nie gesehen.
Wade überprüfte noch einmal den Ausdruck, welchen er vom NGG erhielt und fuhr nach einer kurzen Pause fort: „Die Synthetisierung dieser Bestandteile ist nicht einfach und folglich sehr teuer. Gemäss den Hochrechnungen von Burn Burnmen, du weißt schon, der staatlich geprüfte Steuerprüfer, dürfte jede Drohne ungefähr 100 Kilo Biomasse enthalten und unser Gegner wird sich nicht auf hundert produzierte künstliche Drohnen begrenzt haben, sonst würde sich die ganze Sache ja nicht lohnen. Daraufhin habe ich Drakkens Bankkonti überprüft, seit er sein Labor in der Schweiz aufgegeben hat ist kein Geld mehr geflossen, so wies aussieht ist er also schon ziemlich lange pleite. Es weist alles darauf hin, dass ein anderer für die Angriffe in Alaska und gestern in der Middleton High verantwortlich war, aber leider führen sämtliche Spuren in eine Sackgasse.“
Kim setzte sich seufzend auf ihr Bett, wo sie hinschaute nur schlechte Nachrichten. Sie schaltete den Kimmunicator aus, blickte unterwürfig zu Shego und nickte nur. Diese verstand den Wink, Kimmie hatte endlich begriffen, dass die ganze Sache nicht das zu sein schien, was sie vorgab zu sein, löste den Griff und schubste Ron zu seiner Freundin. Diese umarmte ihn erleichtert, als er vor ihr auf die Knie ging. Rufus, der die ganze Zeit still auf Kims Bett um sein Herrchen bangte, sprang mit einem freudigen Quieken auf Rons Schulter.
Shego war die Situation sichtlich unangenehm, aus einem ihr völlig unerklärlichen Grund, berührte sie diese Szene. Sie verschränkte traurig wirkend die Arme, drehte sich von den Teenagern weg und wollte Kims Zimmer durch das Fenster wieder verlassen. Sie hielt jedoch kurz inne, bevor sie Kim ansprach, ohne sich umzudrehen: „Ach Kimmie, ich wüsste da vielleicht jemanden, der euch weiterhelfen könnte.“

Nächster Tag; ’Bermuda Triangle’, Karibik, morgens

„Big Daddy Brotherson, warum bin ich nicht eher auf ihn gekommen?“, sprach Kim halb zu sich selber und halb zu Ron, während sie nervös hin und her ging. Wenn einer über die schmutzigen Geschäfte der Schurkenelite Bescheid wusste, dann er.
Ron beobachtete sie fragend und deutete auf seine Ohren, um Kim zu signalisieren, dass er kein Wort verstand. Die Motoren der zweipropellrigen Militärmaschine waren in der Tat so laut, dass man sich nur schlecht und wenn, dann schreiend verständigen konnte. Kim winkte ab und wandte sich an den breitschultrigen, glatzköpfigen General mit Sonnenbrille, während Ron sich einen Helm aufsetzte, einen grauen Sprunganzug und den Fallschirm anzog.
„Vielen Dank, dass sie uns mitnehmen, General Simms.“, schrie Kim lächelnd. Der General winkte ab und antwortete beinahe emotionslos: „Das war das Mindeste, was ich für sie tun konnte, nachdem der Nacktmull ihres Freundes unsere streng geheime Forschungseinrichtung vor diesem Riesenpudel gerettet hat, Miss Possible.“
„Oh, ich bin sicher, es war keine grosse Sache für ihn.“, meinte Kim verlegen. Darauf öffnete sich die Heckklappe des Flugzeugs und den Insassen zog ein rauer, kalter Wind entgegen.
Mit ernster und respektvoller Stimme schrie der General zurück: „Wie dem auch sei, wir haben die Sprungkoordinaten erreicht. Miss Possible, ich wünsche ihnen viel Glück.“
Er salutierte, während Kim ihren Helm aufsetzte und zurücknickte, dann ging sie zur Heckklappe und winkte Ron zu sich. Die beiden schauten in ein graues Wolkenfeld, dort unten würde es wohl gerade regnen. Irgendwie passte es perfekt zur momentanen Situation. Wieder verlor sich Kim in ihren Gedanken und ein weiteres Mal riss sie Ron mit einem Lächeln sanft aus ihren Gedanken. Er gab ihr einen Klaps auf den Rücken, ehe Kim sich fallen liess, dann sprang Ron ihr unruhig nach. Wie er diese Fallschirmsprünge hasste, seine Angst vor dem Freien Fall würde er wohl nie überwinden.
Als sie die Wolkendecke durchstossen hatten, besserte sich auch schlagartig die Sicht, weit unter sich, konnten die Beiden kurz darauf das ’Bermuda Triangle’ erkennen und wie es schnell grösser wurde. Kurzum zogen sie ihre Reissleinen und steuerten ihre geöffneten, grauen Schirme auf das Dach des Hotels zu, wo sie schliesslich mehr oder weniger sanft neben dem Eingang zum Lüftungsschacht landeten. Vom Meer her zog ein starker Wind, der es den beiden Teenagern schwierig machte auf beiden Füssen zu landen. Am Horizont zuckten einige Blitze unter einer fast schwarzen Wolkendecke, da war ein gewaltiges Unwetter auf dem Vormarsch.
Während sich beide der Anzüge, Fallschirme und Helme entledigten und Kim ihren Rucksack durchsuchte, fragte Ron ungeduldig: „Warum nehmen wir nicht einfach den Haupteingang?“ – „Tut mir leid, es geht nicht anders.“
Kim hätte auch lieber normal den Eingang genommen, aber seit ihrem letzten Besuch hatten sie beide Hausverbot. Der Geschäftsführer wollte von einer Klage wegen uneingeladenem Eindringens und mutwilliger Zerstörung des Buffets absehen, wenn sie sich nie wieder hier blicken liessen. Zu dumm, dass sich Brotherson ausgerechnet das ’Bermuda Triangle’ zu seinem neuen Hauptsitz auserkoren hatte. Es war Kim in diesem Moment aber so ziemlich egal, sie würden wieder verschwunden sein, bevor sie irgendjemand bemerken würde, natürlich abgesehen von Big Daddy.
Also nahmen die beiden Teenager wieder den Weg über den Lüftungsschacht und landeten schliesslich unbemerkt irgendwo in der riesigen Küche, wo trotz der frühen Morgenstunden ein reger Betrieb herrschte. Hinter einem der unzähligen Regale gestikulierte ein schwarzhaariger Mann mit gigantischem Schnauzbart, wahrscheinlich der Chefkoch, wild herum und brüllte seine Untergebenen mit italienischem Akzent an. Er schrie irgendetwas von einer Dinner Party, die vor der Türe stehen würde und sie, also seine Angestellten, sollten sich gefälligst etwas am Riemen reissen. Ron schaute dem Treiben fasziniert zu, er hätte auch einmal in einer solch erstklassigen Küche arbeiten wollen.
Seine Freundin hörte nur mit halbem Ohr hin, denn sie überprüfte gerade ihren weiteren Weg auf dem Grundrissplan, den Wade ihr geschickt hatte, blickte sich vorsichtig um und entdeckte endlich den Küchenausgang, der in die grosse Halle führen musste. Sie stupste Ron mehrmals an und schlug ihm, nachdem er nicht reagierte, leicht mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. Augenblicklich drehte der blonde Teenager den Kopf zu Kim, schaute sie böse an und zuckte nur beleidigt mit den Schultern, als wollte er fragen, was er jetzt schon wieder verbrochen hätte. Die Teenieheldin signalisierte ihm, er solle ihr möglichst geduckt folgen. Mürrisch gehorchte Ron, ohne ein Wort zu verlieren. Zu gerne hätte er den vielen Köchen noch länger bei der Arbeit zugeschaut. Enttäuscht blickte er wieder zurück, als sie die Küche durch die metallische Schwingtüre verliessen.
Die grosse Halle war festlich geschmückt worden, die von Shego und Kim verursachten Schäden repariert, auch hier waren einige Arbeiter hektisch dabei, die Anordnung einer älteren Dame, welche sich von Zeit zu Zeit ihre Notizen durchschaute, zu befolgen. Kim kam diese allgemeine Hektik sehr gelegen, dadurch würden sie weniger auffallen. Sie schaute nochmals auf den Kimmunicator, winkte Ron zu sich und ging schnurstracks auf die grosse Eingangstreppe zu.
„Momentchen, ihr Zwei.“, wurden die Zwei von der älteren Dame mit einer rauchig tiefen Stimme hinterrücks angehalten.
Geschockt drehte sich das Pärchen um. Die elegant gekleidete Dame fuhr fort: „Kann ich euch helfen?“. Ron begann stotternd: „Wir ... äh, ... wir sind ...“ – „Wir sind von der Putzkolonne.“, vollendete schliesslich Kim den angebrochenen Satz.
„Die Putzkolonne ist aber erst auf Morgen bestellt worden.“, erwiderte die Dame verdutzt, setzte sich ihre Lesebrille auf und überprüfte ihre Liste aufs Neue. Spontan antwortete Kim darauf: „Äh, wir sind die Vorhut ... Tüdel.
Schnell zog sie Ron an dessen Ärmel die Treppe hinauf, während sie der älteren Dame zuwinkte, die sich zwar verwirrt am Kopf kratzte, aber mit der Antwort zufrieden schien. Im ersten Stock angekommen, verschnauften die beiden Teenager erst einen Moment lang, um sich von diesem Schock zu erholen.
„Erinner mich daran, dass ich Wade unbedingt um Tarnanzüge bitten muss.“, sagte Ron, gestresst klingend, während er seine Hand auf die Brust legte, sein Herz raste, und einige Male laut ein und ausatmete. Schliesslich brachen sie beide in Gelächter aus.
Als die Teenager sich erholt hatten, gingen sie weiter durch einen sehr schwach beleuchteten Gang, der sich rechts vom Haupteingang befand. In diesem Bereich des Hotels befanden sich wohl viele Büros, auf beiden Seiten war alle paar Meter eine unbeschriebene Tür. Gemäss Wades Plan mussten sie nur noch um die nächste Ecke, Big Daddys Büro sollte dann am Ende des Gangs liegen.
Kim stockte plötzlich, sie hielt Ron augenblicklich ihre Hand vor den Mund, öffnete eine der Türen, die glücklicherweise nicht abgeschlossen war, betrat das Zimmer ebenfalls, nachdem sie ihren Freund hereingestossen hatte und schloss die Türe auf einen Spalt breit. „KP?“ Die Teenieheldin hielt sich den aus-gestreckten Zeigefinger vor den Mund, um dem überrumpelt wirkenden Teenager zu signalisieren, dass sich dieser absolut ruhig verhalten sollte, und beobachtete den Gang durch den offenen Türspalt.
Dort tauchten zwei Personen auf, die nebeneinander hergingen. Diejenige rechts trug einen langen, weissen Laborkittel und wirkte etwas schludrig. Aufgrund der herrschenden Lichtverhältnisse konnte Kim das Gesicht der wohl männlichen Person nicht genau erkennen, allerdings grinste sie breit und die Brillengläser reflektierten das Licht vom nahen Eingang zur Halle. Die andere Person war einen Kopf grösser als ihr Begleiter, elegant mit Anzug und Krawatte gekleidet und trug eine weisse Maske, mit halb lächelndem und halb traurigem Gesicht, als ob das Phantom der Oper aus dem nächsten Theater ausgebrochen wäre.
Offenbar hatten die beiden Personen Kim und Ron nicht bemerkt, sie gingen an deren Zimmer vorbei, ohne sich umzublicken. Die rothaarige Teenagerin wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte, sie hatte die zwei Unbekannten noch nie gesehen. Sie wartete noch einige Minuten still, bevor sie vorsichtig ihren Kopf aus der Tür herausstreckte, um die Situation einzuschätzen. Schliesslich signalisierte sie Ron mit gehobenem Daumen, dass alles in Ordnung war und sie weitergehen konnten.

Kim klopfte zwei Mal kurz an die schwere Holztür zu Brothersons Büro und stellte sich direkt davor auf. Während Ron sich rechts von der Türe positionierte, konnte man von drinnen ein seufzendes „Wer ist da?“ vernehmen.
„Zimmerservice.“, antwortete Kim knapp, aber freundlich. Dann konnte man Schritte wahrnehmen, kurz darauf öffnete Big Daddys riesiger Bodyguard die Tür und blickte die rothaarige Teenagerin grimmig an. Diese grinste breit und kickte mit aller Kraft gegen die Türe, bevor der Schrank begriff, wer wirklich vor ihm stand. Der Bodyguard hatte keine Chance, die Türe traf ihn heftig am Gesicht, worauf dieser sofort, unter einem Stöhnen, bewusstlos nach hinten wegkippte. Sie hatte darauf spekuliert, dass Big Daddy seinen Beschützer zur Türe schicken würde und hatte sich die Tatsache, dass diese nach innen aufging zum Vorteil gemacht.
Zufrieden betrat sie das Zimmer und sah einen überraschten und stark mitgenommen wirkenden Big Daddy, wie er es sich in seinem Sitzsack hinter dem kleinen Marmortisch bequem gemacht hatte, wo er einst mit Drakken eines seiner albernen Spielchen gespielt hatte. Auch er war äusserst elegant in einem weissen Anzug über einem roten Hemd und schwarzer Krawatte gekleidet. Ron trat kurze Zeit nach Kim ein, würdigte den bewusstlosen Bodyguard eines kurzen Blickes und bemerkte in dem geräumigen und spärlich eingerichteten und schwach beleuchteten Raum sofort das riesige Aquarium links von Big Daddy, welches ihm sofort imponierte.
„Miss Possible, war das wirklich nötig?“, fragte der fette Geschäftsmann beleidigt, während er sich mit einem weissen Taschentuch den Schweiss von der Stirn wischte.
Kim sprang auf ihn zu, schleuderte genervt den Marmortisch an die nächste Wand, blieb nur wenige Zentimeter vor dem Widerling stehen und verschränkte die Arme. Sie war stinksauer, antwortete mit entsprechendem Unterton: „Dieses Mal spielen wir nach meinen Spielregeln, die da lauten: Ich frage, Sie antworten, klar?“
„Ein einäugiger Tintenfisch, wo gibt’s denn so was?“, fragte Ron lachend, als er besagtes Tierchen im Aquarium entdeckte.
„Welcher Superschurke hatte in den letzten Wochen Interesse an synthetisch hergestellten Aminosäuren?“, fragte die Teenieheldin, Ron ignorierend.
Big Daddy, der bei Kims Angriff den Kopf eingezogen hatte und seine Arme vor dem Gesicht verschränkte, da er wohl dachte, dass sie ihn ernsthaft verletzen wollte, senkte nun seine Arme wieder erleichtert und sagte schliesslich, während er zu Ron schaute: „Könnten Sie ihrem Freund bitte sagen, er solle seine Nase gefälligst nicht an meinem Aquarium plattdrücken?“
„Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“ – „Das werde ich auch nicht.“, meinte Brotherson schnell, „Ich werde mir sicher nicht von einer Teenagerin sagen lassen, was ich zu tun habe.“
Kim lächelte und schaute ihrem Gegenüber in die Augen: „Wie ich Sie einschätze hängen Sie sicher sehr an ihrer Freiheit. Es würde die Polizei bestimmt brennend interessieren, dass Sie mit Superschurken verkehren, meinen Sie nicht?“
Anfänglich ungläubig schaute Big Daddy zurück, er konnte aber erkennen, dass sie es vollkommen ernst meinte. Schliesslich fragte er nach einer längeren Pause: „Sie schlagen mir einen Deal vor?“ – „Mein Schweigen gegen Ihre Informationen.“
Ron klopfte ein paar Mal an die Aquariumscheibe, was dem Tintenfisch nicht wirklich gefiel, denn dieser wollte den blonden Teenager mehrmals angreifen, bis das wirbellose Tier schliesslich das gesamte Aquarium in eine schwarze Tintenwolke einhüllte. Enttäuscht von dieser Darbietung drehte sich Ron seiner Freundin und Big Daddy zu. „Ist Ihr Haustier immer so schnell beleidigt?“ Er lehnte sich rücklings an das Aquarium und winkte beleidigt ab, da er nur böse Blicke erntete.
„Na gut, Miss Possible, Sie haben gewonnen. Ccorp. hatte vor vier Wochen eine grössere Menge an synthetischen Aminosäuren aus Europa bestellt.“ – „Wie gross?“, warf Kim ein, worauf sich Brotherson wieder Schweiss von der Stirn wischte und dann weiterfuhr: „Ein ganzer Öltanker, etwa 200'000 Tonnen, das Problem ist nur, dass dieser Tanker auf der Überfahrt während eines Sturms verschwunden ist, wahrscheinlich gesunken. Ccorp. war über die Sache nicht sehr erfreut und hat folglich alle Informationen für die Medien unzugänglich gemacht.“
Kim war im ersten Moment geschockt, 200'000 Tonnen dieser Biomasse würden, wenn sich Burnmen nicht getäuscht hatte, zwei Millionen Shegodrohnen entsprechen und so jeder Armee dieser Erde zahlenmässig weit überlegen sein. Nach einem kurzen Schweigen erwiderte sie ernst: „Glauben Sie mir, der Tanker ist nicht gesunken, aber das wussten Sie sicher schon. Hören Sie endlich auf mit mir zu spielen. Wer hat ihn entführt?“
„Nun, die Schurkenwelt hält sich in dieser Sache sehr bedeckt. Wenn man den Gerüchten glauben kann, dann war es Dr. Drakken, jedoch wurde der gestern ja eingesperrt, aber eigentlich spielt es sowieso keine Rolle mehr, wer das Zeug gestohlen hat und wozu er es benutzen wollte.“, antwortete Big Daddy nun gebrochen und enttäuscht klingend. Als Kim nur die Augenbraue hob, fuhr er seufzend fort: „Seit dieser verdammte Chen Hench Industries übernommen hat, geht es mit dem Schurkentum den Bach runter. Bis auf Drakken hatte jeder nennenswerte Superschurke seine Ressourcen und Spielzeuge von Hench bezogen. Ironischerweise haben sich genau deswegen die Schurken nicht selbstständig gemacht und sind heute absolut abhängig von einer Firma wie Hench Industries, Sie sehen also, ohne ihn sind wir alle überflüssig geworden. Chen weiss das, weshalb er diese blödsinnige und für mich absolut unverständliche Dinner Party für die Schurkenelite organisiert hat.“
„Was soll das denn bringen, da wird ja sicher keiner auftauchen.“, meldete sich nun Ron zu Wort, worauf Big Daddy mit Tränen in den Augen antwortete: „Er hat seine Mittel, glauben Sie mir, vorhin hat er mir angedroht meinen Nichten etwas anzutun, falls ich nicht zu dieser Party erscheinen sollte.“
Er brach in Tränen aus, vermochte es aber nicht Kims Herz zu erweichen. Also war wahrscheinlich der Maskenmann von vorhin Mr. Chen, aber warum hatte dieser ein so brennendes Interesse daran, die gesamte Schurkenelite, wenn nötig mit Drohungen an einem Platz zu vereinigen, anstelle sie einfach in ihren sicheren Untergang laufen zu lassen?
Die rothaarige Teenagerin hatte genug gehört und wollte gerade den Raum verlassen, als sie sich nochmals nach Brotherson umdrehte und diesen fragte: „Sie haben nicht zufällig noch zwei Einladungen zu dieser Dinner Party?“
Verwirrt schaute Big Daddy sie an, zog schliesslich wortlos zwei Karten aus seiner Jackettasche und reichte sie Kim. Auch Ron begriff nicht ganz, worauf seine Freundin damit herauswollte, sagte aber vorerst nichts dazu. Mit einem Grinsen nahm sie die Einladungen an sich, zog den Kimmunicator hervor und kontaktierte Wade: „Was weißt du über einen Mr. Chen, Wade?“
Der schwarzhaarige Junge antwortete erklärend: „Mr. Dr. Chen, der Leiter von Ccorp.? Leider nur wenig. Ursprünglich kommt er aus Japan und hat Biochemie und Elektronik in Europa studiert, ausserdem ist er äusserst kultiviert und intelligent, wie die Medien sagen. Er lebt sehr zurückhaltend, trägt immer eine Maske und seine Auftritte sind meist kurz, aber sehr elegant. Wieso?“
„Nun, offensichtlich steht er in Verbindung mit der ganzen Sache, ich weiss allerdings noch nicht unter welchen Vorzeichen. Kannst du Informationen über ihn und Ccorp. einziehen? Bittedankeschön!“
Wade nickte und wollte gerade die Verbindung trennen, als Kim noch anfügte: „Ach, und könntest du die Polizei ins ’Bermuda Triangle’ schicken, um das Häufchen Elend hinter mir abzuholen?“ Sie wies dabei schadenfreudig auf Big Daddy Brotherson, welcher glaubte, sich verhört zu haben.
Während Kim die Verbindung zu Wade abbrach und den Kimmunicator in ihrer Hosentasche verschwinden liess, stand Brotherson auf und schrie entrüstet auf die Teenagerin ein: „Ich dachte wir hätten eine Abmachung?“
„Jetzt spielen Sie hier bloss nicht den Betroffenen, ich mache grundsätzlich keine Geschäfte mit Schurken.“, gab sie zurück und stiess Big Daddy zurück in seinen Sitzsack und verliess schliesslich zufrieden wirkend den Raum.
Ron war geschockt vom Verhalten seiner Freundin, das war nicht mehr seine Kim. Seit Wochen hatte er versucht ihrer negativen Veränderung entgegen zu wirken, doch wie es schien hatte er versagt, seine Bemühungen waren umsonst. Der blonde Teenager sah zu Big Daddy, der ebenfalls in sich zusammengebrochen war und folgte Kim endlich. Als er ging kullerte Ron eine Träne über seine Wange, die er aber schnell wegwischte.

Middleton High, nachmittags
„Stoppable, hab gehört du wärst mit dieser Cheerleaderin zusammen.“, meinte Vinnie beiläufig, als er sich rechts neben Ron setzte.
Dieser legte nur ein gelangweiltes Lächeln auf und stützte seinen Kopf mit der rechten Hand, da sprach der Teenager im falschen Moment das falsche Thema an. So wie sich seine Freundin an diesem Morgen verhalten hatte, war er sich über eine gemeinsame Zukunft mit ihr gar nicht mehr so sicher. Der blonde Teenager versuchte diese Gedanken zu vertreiben. Bis dahin hatten er und Kim noch jede Situation heil überstanden, trotzdem liess ihn das Ganze nicht mehr los und er verlor sich in seinen Gedanken. Nichts desto trotz klopfte ihm Vinnie einmal heftigst auf die Schulter, auf dass Ron beinahe das Gleichgewicht verlor und vom Stuhl gefallen wäre.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt er sich seine Schulter, während der junge Afroamerikaner anfügte: „Junge, ab heute bist du mein persönlicher Held.“
In dem Moment betrat Big Mike den verhassten Raum 12, grinste, als er Ron sah, und setzte zum Highfive an. Der blonde Teenager streckte Big Mike seine rechte Hand nur widerwillig entgegen. Das Ergebnis war absehbar, der liebenswürdige Riese schlug dermassen hart zu, dass sich Ron unter Tränen den Arm halten musste. Big Mike grummelte etwas Unverständliches, bevor er sich hinter Winnie setzte.
Als auch noch Junior seinen Kopf durch die offene Türe streckte, schien die Nachsitzklasse komplett. In seinem üblich abwesend scheinenden Ton fragte Junior: „Ist hier die Versammlung?“
„Zum x-ten Mal, das Nachsitzen! Hinsetzen und Klappe halten!“, schrie Barkin, an das Pult links von der Türe gelehnt, den Blondschopf bösartig an. Offensichtlich hatte der Lehrer sich doch noch untersuchen lassen, denn er trug seinen rechten Arm in einer Schlinge.
Junior betrat das Zimmer, wie üblich, gespielt beleidigt und grüsste Ron, der sich, geistig vollkommen abwesend, in seinem Stuhl hängen liess, knapp: „Hei Stoppable.“
Ron erschrak fürchterlich, schrie kurz laut auf, hielt sich vorbeugend die rechte Schulter und schrie hysterisch: „Keine Highfives, bitte, noch mehr Schmerzen ertrag ich nicht.“ – „Ich hab doch gar nichts getan.“ Junior winkte verwirrt ab, bevor auch er sich neben den blonden Teenager setzte.
Inzwischen blickte Barkin auf die Uhr über der Tür und fragte die Vier mit genervtem Ton, „Und wo bleibt dieser Keanu Reeves Verschnitt?“
Ron schaute sich verwirrt um, die anderen Drei zuckten nur nervös mit den Schultern herum, anscheinend hatten sie vor besagter Person Angst, was das Helferlein noch zusätzlich verwirrte, die Drei fürchteten sich doch sonst vor nichts. Jedenfalls fehlte Ron mal wieder total der Durchblick, er lehnte sich zu Vinnie und fragte vorsichtig, halb flüsternd: „Wen meint Barkin?“
Befragter rutschte nur nervös auf seinem Stuhl hin und her und schüttelte beinahe panisch den Kopf, auch Big Mike winkte zittrig grummelnd ab, als Ron ihn fragend anschaute, bis schliesslich Junior ein Erbarmen mit Ron hatte und erklärte: „Wir sprechen nicht über ihn, du siehst ja, selbst Big Mike hat den grössten Respekt vor ihm.“
Dann deutete er plötzlich mit grossen Augen zur Türe und sagte nichts mehr. Ron drehte sich um und begriff endlich, dass der Mantelträger gemeint war. Dieser stand im Türrahmen, zündete sich gerade eine Zigarette an und nickte den Jungs zu, wobei sein Blick kurz bei Ron hängen blieb. Dann verzog er sich in die hinterste und dunkelste Ecke des Raumes und legte dort seine Beine hoch, um genüsslich seine Kippe zu rauchen.
Barkin brüllte sofort auf ihn ein: „Wie oft denn noch? Hier drin wird nicht geraucht!“ – „Wenn es Ihnen dermassen Freude macht, können Sie mich meinetwegen lebenslang zum Nachsitzen verdonnern, obs Ihnen nun passt oder nicht, Barkin, meinetwegen können Sie auch zur Hölle fahren.“ Der Lehrer glaubte seinen Ohren kaum, zischte zurück: „Sie untergraben meine Autorität!“
Man konnte hören, wie der Mantelträger einen weiteren Zug nahm und wie er leise seufzte, danach war es totenstill. Weder Barkin, noch Vinnie, Junior, Big Mike oder Ron sagten ein Wort. Sie schauten alle nur mit grossen Augen in die dunkle Ecke.
Schliesslich antwortete der Unbekannte mit ernster und unbarmherziger Stimme: „Wenn Sie mich endlich in Ruhe lassen würden, wäre ich auch nicht mehr dazu gezwungen, nicht?“
Dann geschah etwas, was wohl noch kein Schüler der Middleton High geschafft hatte: Barkin gab tatsächlich resigniert auf, er wandte sich irgendwelchen Arbeiten zu und erwiderte nichts, nicht einmal ein Murren.
Ron konnte es kaum glauben, die Jungs wollten es kaum glauben. Langsam begriff der blonde Teenager, warum Kim den Typen derartig angehimmelt hatte. Der Kerl verfügte über ein gigantisches Selbstvertrauen und einen eisernen Willen, blieb dabei immer ruhig und berechnend, in ihm schien die rothaarige Teenagerin zu sehen, was ihr derzeit so schmerzlich fehlte.
So vergingen die Minuten wie Stunden, die Teenager langweilten sich fürchterlich, der Mantelträger schien zu schlafen und Barkin war in einen Artikel vertieft. Ron musste schwer mit sich kämpfen, nicht auch einzuschlafen, würde Barkin ihn pennend erwischen, dürfte er heute Abend noch hier drin sitzen, und wurde schliesslich durch ein sehr bekanntes Piepsen aus seinem dösenden Zustand gerissen. Möglichst unauffällig versuchte sich der blonde Teenager in eine Ecke des Zimmers zurückzuziehen, was ihm überraschenderweise gelang, Barkin blickte nicht auf, offensichtlich gefesselt durch den Aufsatz, den er gerade korrigierte, und auch die anderen zeigten keine grössere Interesse an den Umzug ihres Leidensgenossen. Dann konnte er endlich an den Ronunicator rangehen, den Rufus gestern, wohl zufällig unter Rons Bett gefunden hatte.
„Schiess los, Wade.“ – „Ich habe leider nichts über den Mantelträger herausfinden können.“, erklärte Wade und wurde von Ron unterbrochen: „Psst, nicht so laut!“. Der blonde Teenager schaute zu besagtem Unbekannten in der gegenüberliegenden Ecke.
„Bist du beim Nachsitzen?“, fragte der schwarzhaarige Junge grinsend, während dieser sich schadenfreudig am Kopf kratzte.
„Stoppable!“, schrie Barkin genervt, ohne aufzustehen, und riss so die anderen armen Seelen aus ihren Tagträumen, „Was tun Sie dort hinten?“
Erschrocken wandte sich Angesprochener zu Barkin und grinste verlegen: „Äh, ich führe Selbstgespräche.“
Der Lehrer hob erstaunt eine Augenbraue und schaute etwas überrascht. Stoppable war ja schon immer etwas komisch, dachte er bei sich, aber diese Antwort schien selbst für Barkin eine neue Superlative darzustellen, während Wade das Gespräch wieder aufnahm: „Wie ich schon sagte, ich konnte nichts über ihn rausfinden. Also hab ich das NGG eingeschaltet.“ – „Und?“ – „Die kennen ihn auch nicht, über den Kerl existieren keine Akten, keine Versicherungsnummer, keine Anschrift, nichts, nicht einmal ein Name.“, sagte Wade erstaunt klingend.
Ron kratzte sich am Kopf und dachte angestrengt nach, ehe er erwiderte: „Wie konnte er sich dann an dieser Schule bewerben?“
„Mit der heutigen Technik ist es kein Problem mehr eine falsche Identität anzunehmen und diese danach wieder zu löschen. Die interessantere Frage wäre wohl eher, warum er diese Identität wieder gelöscht hat. Es könnte bedeuten, dass er etwas zu verbergen hat, oder aber ...“, Wade legte eine kurze Pause ein, anscheinend schien er selbst nicht zu glauben, was er gleich sagen würde, „ ... oder aber der Kerl ist offiziell gesehen tot. Ich weiss nicht welche der beiden Möglichkeiten mir weniger gefallen soll.“
Ron machte ein sehr besorgtes Gesicht und wollte darauf etwas antworten, wurde aber von Barkin unterbrochen, der mittlerweile aufgestanden war und mit einem weissen Zeigestock heftig auf Rons Pult schlug.
„Stoppable, keine Privatgespräche, geben Sie mir das!“, sagte der Lehrer mit einem zischenden Unterton und konfiszierte den Ronunicator. Der Teenager war darüber aber nur mässig enttäuscht, er hatte genug gehört.

Ron war froh, als das endlos scheinende Nachsitzen endlich vorbei war, seit Barkin den Ronunicator eingezogen hatte, überlegte der Teenager einen geeigneten Weg, wie er Kim am Besten beibringen sollte, dass er hinter ihrem Rücken Informationen über diesen Typen in Erfahrung bringen musste. Langsam ging er den Schulgang entlang, als der Mantelträger plötzlich vor ihm stand, den blonden Teenager stoppte und ihn nur mit der rechten Hand an die Wand drückte. Der Unbekannte grinste in Rons überraschtes Sommersprossengesicht, ehe er die Sonnenbrille absetzte und genau in die braunen Augen seines Gegenübers schaute.
„Hummeln im Hintern, Stoppable?“, fragte der schwarzhaarige Typ mit einem zynischen Unterton, bekam aber von Ron keine Antwort, wobei dieser wohl eher vor Schreck sprachlos war, als dass er nichts sagen wollte.
Lächelnd fuhr der Mantelträger fort: „Solltest du auch haben. Warum hast du mich eigentlich nicht einfach direkt gefragt, wer ich bin? Ja gut, natürlich hättest du keine Antwort erhalten, wie auch immer, deine Kleine wird jedenfalls nicht ganz so locker darüber hinwegschauen wie ich.“
Er zwinkerte Ron zu, schnalzte mit der Zunge, setzte sich seine Sonnenbrille wieder auf und liess den blonden Teenager los, bevor der Schwarzhaarige unverrichteter Dinge wortlos weiterging.
Rons Herz schlug ihm bis zum Hals, der Typ war definitiv nicht nur äusserst schlau, sondern auch mindestens so unheimlich, dem Teenager liefen kalte Schauer über den Rücken, er hatte den grossen Unbekannten total unterschätzt.

Ron wartete betroffen draussen vor der Turnhalle, an eine der Eingangssäulen gelehnt, darauf, dass die Cheerleader endlich ihr Training beendeten. Diese Warterei machte ihn noch verrückt, denn es gibt nichts Schlimmeres, als wenn man sich eine unangenehme Sache von der Seele reden will, aber darauf warten muss, dies tun zu können.
Wenig später verliessen die Mädchen, allen voran Bonnie, endlich die Turnhalle und grüssten alle ausnahmslos äusserst freundlich und mit einem Lächeln. Tara strich ihm sogar mit beiden Händen durch die Haaren, wie es eine grosse Schwester mit ihrem kleineren Bruder tun würde, um diesen zu nerven, und brachte so absichtlich seine Frisur durcheinander. Für einen kurzen Moment vermochte die blonde Teenagerin Ron so zum Lächeln zu bringen, bevor sie dann winkend ging.
„Also dann, bis morgen Mädels.“, rief Kim, welche die Turnhalle als Letzte verliess, ihrem Team hinterher und bemerkte schliesslich erfreut ihren Freund.
„Kim wir müssen reden, ich hab etwas getan, worauf ich nicht stolz bin, das ich aber für notwendig hielt.“, sagte Ron selbstkritisch.
Sie gab ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen und hob danach nur lächelnd eine Augenbraue. Ron schaute traurig zum Boden und zögerte einige Augenblicke, ehe er fortfuhr: „Ich habe Wade gebeten Informationen über den Mantelträger zu sammeln ...“
Kims anfängliches Lächeln verschwand schnell aus ihrem Gesicht und musste einer ernsten, sehr kalten Miene Platz machen. „Nur weil du offensichtlich unter Paranoia leidest, verdächtigst du hinter meinem Rücken meinen Lebensretter und lässt ihn durch Wade bespitzeln?“, unterbrach sie ihn aggressiv.
Ron wollte sich rechtfertigen, solange Kim das noch zulassen würde, und erwiderte schnell: „Ich wollte dir nur helfen, du scheinst in letzter Zeit so hilflos und verletzlich.“.
Im ersten Moment schien es Ron gelungen zu sein, die rothaarige Teenagerin beschwichtigt zu haben, wortlos ging sie an ihm vorbei, während sie sauer antwortete: „Ich hab alles im Griff, Hase.“
Als der Teenager begriff, dass sich Kim gerade aus dem Staub machen wollte, drehte er sich schnell um und hielt seine Freundin mit der rechten Hand an deren linken Schulter fest, ehe nun auch er einen wesentlich ernsteren Ton einschlug.
„Nein, das hast du eben nicht, warst du anfangs einfach nur verunsichert, läuft dir die ganze Sache langsam so ziemlich aus dem Ruder.“ – „Ich weiss nicht, was du meinst.“, sagte sie genervt, worauf Ron, im Glauben, dass sie sehr wohl wusste, wovon er sprach, sofort mit Nachdruck erklärte: „Erst Drakkens voreilige Verhaftung, gestern die Sache mit Shego, bei der ich nicht genau sagen kann, was du getan hättest, wenn Wade nicht gerade zufällig in dem Moment angerufen hätte, dann die Sache von heute morgen, KP, seit wann gehst du auf Abmachungen ein, die du keine fünf Minuten später wieder brichst?“
Kim gab ihm keine Antwort, worauf dieser sich weiter aus dem Fenster lehnte und noch tiefer bohrte. „Schliesslich schlägst du sämtliche ernstgemeinten Warnungen bezüglich des Mantelträgers in den Wind ...“, und dabei nahm Rons Stimme einen besorgt traurigen Ton an, „ ... die, so wies aussieht, auch noch berechtigt sind ...“
Kim unterbrach ihn schreiend, ohne sich zu rühren: „Was hat eigentlich der Mantelträger mit der ganzen Sache zu tun?“ – „Kim, du bist momentan nicht du selber, so verbohrt, dass du dir kein unvoreingenommenes Urteil bilden kannst, hast du dir nicht überlegt, dass auch der nur wieder eine Drohne sein könnte, so wie ...“
„Nimm diesen Namen nicht in den Mund!“, zischte die rothaarige Teenagerin nun bösartig, sie war kurz davor zu explodieren. Ron gab sanft zurück: „Ich bin nur besorgt und möchte dir helfen ...“
Wieder unterbrach seine Freundin ihn heftigst: „Ich brauche deine Hilfe nicht, einen Freund, der mein Vertrauen missbraucht, brauch ich auch nicht ... lass mich los!“
Mit einer dermassen heftigen Reaktion hatte Ron nicht gerechnet. Enttäuscht und auch geschockt nahm er seine Hand von Kims Schulter, die daraufhin wortlos davonlief. Unter Tränen schrie Ron ihr nach: „Seit zwei Tagen liegt Monique schon im Krankenhaus, hast du sie seither schon einmal besucht?“
Dieser Satz verfehlte sein Ziel nicht, er traf Kim schwer, so dass sie kurz stehen blieb, ging aber schliesslich ohne sich umzudrehen weiter und liess Ron stehen. Ihr Stolz war zu stark verletzt worden, als dass sie in dem Moment eine vernünftige Diskussion hätte führen können.

Irgendwo auf der Welt, nachts
Es war mucksmäuschenstill und zappenduster. Man konnte die eigene Hand vor den Augen nicht sehen. Plötzlich begann es von irgendwoher zu surren, ab und zu war auch das Rattern eines aufstartenden Computers zu hören. Nach einer kurzen Zeit tauchte irgendwo in der Dunkelheit ein weisses, kleines Quadrat auf, das im Sekundentakt aufblinkte, worauf man das Knirschen eines Bürostuhls wahrnehmen konnte, welches entsteht, wenn man sich darauf zurecht rückt und schliesslich das bekannte Geräusch der Stuhlrädchen.
Eine Person, aufgeschreckt durch den Start dieses Computers, drückte auf der Tastatur herum, die sie zwar nicht sehen konnte, aber trotzdem ganz genau zu erahnen schien. Danach erschienen auf dem eben noch pechschwarzen Bildschirm mehrere, in weissen Buchstaben geschriebene Zeilen, welche sich in den Brillengläsern der Bedienperson reflektierten und deren Gesicht immer wieder kurz erhellten. Ihre Miene schien ernst, angespannt, während auf dem Bildschirm, wie bei einem Systemcheck, Zeile um Zeile auftauchten und wieder verschwanden.
Sie grinste schliesslich, als auf dem Bildschirm ’system activation succeeded; < project phoenix > online’ erschien und drückte erneut eine Taste, worauf der ’Access Code’ verlangt wurde.
Mittlerweile gesellten sich zwei weitere Gestalten dazu und stellten sich links und rechts von der Sitzenden auf. Nach erfolgter und erfolgreicher Passworteingabe, piepte der Computer einmal laut auf und startete mehrere Programme gleichzeitig auf. Als ob dies der Startschuss gewesen wäre, aktivierten sich rings um die Gruppe weitere Computer und Bildschirme, gingen in Betrieb und tauchten den Raum in ein dunkles Blau. Die drei Männer, wie man nun durch die zunehmend besseren Lichtverhältnisse feststellen konnte, trugen allesamt weisse, lange Laborkittel, grinsten breit und rieben sich vergnügt und zufrieden die Hände.
Der Sitzende kicherte lauthals, bevor er unter dem dreckigen Lachen seiner Kollegen einige Sätze in den Computer eingab: ’< project phoenix > angelaufen, alle Systeme online und betriebsbereit, Start ist voller Erfolg, erwarte weitere Instruktionen’
Es war ein riesiger Raum, vollgestopft mit Computern, Bildschirmen und technischen Dingen, die kein normaler Mensch kennen würde, überall verliefen dicke Kabelstränge über den Boden und an den Wänden. Das Surren der gut zwanzig Rechner wurde sehr laut, beinahe ohrenbetäubend. Die Maschinen waren in Reihen angeordnet, welche in eine Richtung abgestuft waren, vergleichbar mit den Vorlesungssälen von Universitäten.
Gegenüber der erfreuten Gestalten aktivierte sich schliesslich ein grosser Bildschirm, in Kinoleinwandformat, und tauchte den Raum nun in helles Licht. Die Gestalten hielten sich augenblicklich die Hände vor die Augen oder drehten sich vom Bildschirm weg, zu sehr wurden sie in dem Moment geblendet. Dann erschien der Umriss eines menschlichen Kopfes, worauf die Kittelträger ehrfürchtig Haltung einnahmen.
„Meine Herren, herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen Aufnahme des Projekts.“, war von einer sehr tiefen, verzerrten und auch mechanisch klingenden Stimme zu vernehmen.
In einem hohen, nervigen Ton gab der Brillenträger äusserst respektvoll zurück: „Die Glückwünsche gebühren Ihnen.“ – „Wird ’Phoenix’ rechtzeitig bereit sein?“ – „Seien Sie versichert, er wird pünktlich zu Ihrer Verfügung stehen.“
Nach einer kurzen Pause fuhr der Unbekannte fort: „Sehr gut, dann gibt es jetzt nur noch ein Problem zu lösen.“
„Kim Possible.“, stellte der Kittelträger mit einer monotonen Stimme links vom Brillenträger fest. Und die Person rechts vom Brillenträger fügte, durch die Nase redend und so verschnupft klingend an: „Sie hat begonnen rumzuschnüffeln, ihretwegen wurde Brotherson verhaftet.“
Die unbekannte Person unterbrach und antwortete gleichgültig: „Brotherson war nicht wichtig. Wichtig ist, dass Kim Possible und ihr alberner Lakai zu einer Gefahr werden könnten. Das darf nicht geschehen.“
„Verstanden, die Tests, für die wir sie brauchten, sind sowieso beendet ...“, antwortete der Brillenträger erfreut, mit einem gemeinen Lächeln auf den Lippen, „ ... und was ist mit ihm?“ – „Sein Auftauchen ist in der Tat höchst unangenehm. Aber eigentlich war es auch nicht gänzlich unerwartet. Scheint so, dass er es nicht nur geschafft hat Shego zu entkommen, sondern sogar zu überleben. Wie dem auch sei, liquidiert auch ihn!“

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